1. Mail

 

Wir fahren  am Donnerstagmorgen in Hamburg los. Der Wetterbericht sagt fürs südwestliche Niedersachsen Regen an. Es nieselt ab und zu ein bisschen. Das Navi will uns auf die A1 nach Bremen leiten, Wir bleiben stur und fahren Richtung Hannover wegen der vielen Baustellen zwischen Hamburg und Bremen. Das Navi mault etwas, zeigt uns aber dann die Route über Hannover an.

Wir fahren durchs südwestliche Niedersachsen und es ist herrlicher Sonnenschein.

Das Navi sagt: »Am Kamener Kreuz links ab.« (Es heißt offenbar Gottlieb Wendehals!)

Doch dann sagt es: »Die Route wird wegen der aktuellen Verkehrslage neu berechnet.« Am Kamener Kreuz ist Stau. Wir fahren über fünf verschiedene Autobahnen an Köln vorbei und es geht flott voran, kein Stau, kein Stopp and Go und … kein Regen.

 

Wir haben Traben-Trarbach/Mosel eingegeben, dort wollen wir übernachten. Es geht hinunter ins schöne Moseltal und nach Traben-Trarbach links ab. Nach Frankreich, wo wir am nächsten Tag hinwollen, geht es aber rechts ab. Wir fahren rechts und das Navi mault schon wieder. Wir stellen es ab und fahren »auf Sicht« nach Bernkastel-Kues. Wir stellen das Auto unten an der Mosel ab – eine Stunde frei parken – und wandern durch Bernkastels wunderschöne alte Gassen mit tausend und einem Fachwerkhaus. Das Touristenbüro schickt uns gleich um die Ecke in ein schönes altes Hotel. Richtig urig! Alles eng und Fachwerk und Möbel aus dem Gelsenkirchener Barock – alte deutsche Eiche. Das Zimmer ist schnuckelig.

Wir machen uns auf zur sight-seeing-tour. Der Ort ist voll mit Weißköpfen beiderlei Geschlechts, unser Alter und älter. Es ist Weinlesezeit und die Weißkopfadler und Graugänse  sitzen in den Weinlokalen und grölen schmutzige Lieder. Wir finden ein Lokal ohne schmutzige Lieder und meine bessere Hälfte isst Hirsch. Das Essen ist hervorragend, aber irgendwie ist ihr Magen am nächsten Tag nicht so in Ordnung. Danach ziehen wir durch den wein-seligen Ort.

Aus einem Keller kommt Musik. Wir gehen runter. Es ist geschlossen.

An der Uferpromenade fragen wir eine Eingeborene, ob man hier irgendwo vielleicht tanzen kann. Sie nennt uns den schon bekannten Keller, aber sagt, dass der erst um 8 Uhr aufmacht. Um halb neun gehen wir hin. Es ist ein tolles Kellergewölbe. An der Bar stehen etliche Weißköpfe und palavern. Im Nebengewölbe ist die Tanzfläche. Die Musik ist altdeutsch, Andrea Berg, Roland Kaiser und Marianne Rosenzwerg. Wir tanzen trotzdem. Im Laufe des Abends wird die Musik deutlich besser, englische Oldies. Auch andere Grau- und Keesköpfe (=Holländer) fangen an zu tanzen. Es herrscht eine ausgelassene Stimmung. Als wir ins Hotel zurückgehen, sagen wir uns, dass unsere Tour einen Super-Anfang hat.

 

Am nächsten Morgen geben wir »Nancy« ins Navi ein. Wir landen in einem Parkhaus direkt im Zentrum und sind begeistert: Die ganze Innenstadt voll mit Jugendstilgebäuden. Und die Stanis-Laus ist allgegenwärtig. Hier ein Denkmal, da ein Platz, dort ein Schloss. Hier hat sich Stanislas I. ausgetobt.

Nachmittags geht’s weiter zu Thérèse und Jean-Pierre in Villehardouin. Dummerweise habe ich am Navi aus Versehen den Ton abgestellt und wir geraten in eine Parallelwelt, genauer auf eine Parallelautobahn. Das Navi findet das ok, holte uns aber nach 50 km wieder herunter: »Beim nächsten Kreisel die dritte Ausfahrt rechts!« Das führt uns genau wieder zurück auf die Autobahn. Doch vor der Bezahlstelle sollen wir rechts ab. Das ist ein gesperrter Weg auf ein Feld. Wir also wieder zurück! Das Navi schreit Zeter und Mordio: »Bitte wenden! Bitte wenden!« … Dann sind wir eine Stunde nach Gefühl durch die Landschaft gefahren bis wir auf eine Strasse kommen, die ich noch von früher kannte und die »directement« Richtung Troyes, also auch nach Villehardouin, führt. Nun darf das Navi auch wieder mitreden. Um halb fünf brettern wir auf den Hof von Thérèse und Jean-Pierre.

 

Es ist alles wie früher, nur ungefähr hundert blühende Blumenkübel mehr. Uns kommt ein Herr entgegen, etwas schütteres Haar, leicht beleibt, etwa so wie ich. Ich bin nicht ganz sicher, also frage ich ihn, ob er Jean-Pierre sei. Er ist es. Kurz darauf kommt auch Thérèse vom Einkaufen zurück. Sie hat sich überhaupt nicht verändert und die Begrüßung ist außerordentlich herzlich. Dann holt sie zwei rosa Kindersandalen aus dem Haus und fragt, wem die wohl gehört haben. Natürlich Sarah!

Zur Begrüßung gibt es, wie immer, selbstgemachten Apfelsaft und Cidre. Dann kommt noch ein belgisches Ehepaar an, Anke und Luc, die ein bisschen Deutsch, ein bisschen Englisch, gut Französisch und am besten Flämisch sprechen.

Dann wird in den tausend Fotoalben von Thérèse geblättert. Luc zeigt uns seinen Sohn mit seiner Familie, die letztes Jahr hier waren, und von denen er den Tipp bekommen hat, unbedingt bei Thérèse und Jean-Pierre vorbeizuschauen, aber nur mit hungrigem Magen.

Wir finden das Album von 1992, in dem Sarah als Prinzessin und Simon als Torero verkleidet aus der Kleiderkiste von Thérèse abgebildet sind. Luc und Anke amüsieren sich über ein Bild von mir, mit schwarzem Lockenkopf und mit Bart und ohne Brille und vor allem mit kurzen Hosen.

Zum Abendessen – mit sieben!! Gängen – sind wir dann elf am langen »table«. Es kommt noch eine belgische Großfamilie mit Vater, Mutter, Tochter, Oma und Opa  und ein junges französisches Paar an, das sich allerdings schon nach dem vierten Gang ins Bett verabschiedet. Die belgische Großfamilientochter, so wird uns vom Großfamilienvater mitgeteilt, sei traurig, weil sie gerade keinen Freund habe, was ihrem Aussehen nach, nur eine vorübergehende Situation sein konnte. Sie wirkt überhaupt nicht traurig, sondern plappert fröhlich drauflos und übertrifft damit noch die Großfamilienmutter, dass sie gerade holländisch lernen würde, was Luc außerordentlich freut. Es ist jedenfalls wieder ein unglaubliches Sprachgewirr am Abendtisch, der wie immer, mit Jean-Pierres selbstgemachtem Aperitif eröffnet wird und Thérèse reichte kleine leckere Häppchen. Jedenfalls endet der Abend damit, dass wir bezeichnenderweise auf den Film “das große Fressen” zu sprechen kommen und überlegen, wer der vierte Schauspieler war.

Morgens geht es dann, nach einem herzlichen Abschied von allen, weiter Richtung Avignon und wir stellen wieder fest, dass es ein perfekter Beginn unserer Reise war.

Mittagspause in einem kleinen Ort an der Saone mit café, Blick aufs Wasser und viel Sonne. Abends Rumgekurve in Avignon, wir suchen das Ibis-Hotel! Das erste ist besetzt, im zweiten, am Bahnhof sind noch 5 Zimmer frei. Unser Zimmer hat einen Ausblick direkt auf die Altstadt mit dem Papstpalast, beleuchtet von der Abendsonne. Preis ist auch ok, aber das Parkhaus kostet 12 Euro. Und abends in die Altstadt! »Sur le pont d´Ávignon« geht nicht, ist für Fußgänger und überhaupt gesperrt. Essen im sehr belebten Lokal und Ulli bestellt Beefsteak »Tartar«. Ist roh! Würg! Und überhaupt: Die Altstadt ist voll mit Pennern und bekifften Jugendlichen bzw. Asylanten. Das war nicht so unser Ding.

Morgens gibt es ein Riesenproblem: Es ist Sonntag und das Parkhaus ist dicht. Mit viel Kofferschlepperei durch etliche Parkhausebenen finden wir endlich unser Auto. Und, siehe da, mit unserer Karte für 12 Euro öffnet sich nicht nur die Ausfahrschranke, sondern es geht auch das große Rolltor hoch. Hurra! Nichts wie auf die Autobahn und ab Richtung Spanien!

 

Wie schon am Vortag gibt es kaum Autos auf der Autobahn. Alle 10 Minuten überholen wir einen Campingbus und wir wetten, dass jedes Mal ein Weißkopfadler oder eine Graugans, so zwischen 70 und 80, am Steuer sitzt. Wir gewinnen jede Wette gemeinsam.

Mittags machen wir Rast in Argeles sur Mer, das ich von zwei früheren Campingurlauben mit Sarah und Simon, als sie noch ganz klein waren, kenne. Das Meer ist stahlblau, der Himmel auch und der Strand hellgelb und blitzsauber. Ich würde am liebsten bleiben, aber meine Frau möchte noch  über die nahe Grenze nach España.

ir fahren über die Küstenstrasse, Serpentinen über Serpentinen, nach Figueras und spazieren durchs Dali-Museum. Toll! Dann weiter nach Girona, wegen der tollen Altstadt. Im Ibis-Hotel werden wir ausnehmend freundlich empfangen und bekommen sofort ein anderes Zimmer, denn das erste war entsetzlich verqualmt. Sie entschuldigen sich und sagen, es sei ein Nichtraucherhotel, aber manche Leute halten sich nicht daran.

Abends wieder Bummel durch die Altstadt! Wir essen sehr günstig in einer Tapas-Bar, wo es nur Eingeborene gibt. Absacker in der Hotelbar, wieder mit unglaublich freundlicher Bedienung. Erneut schütteln wir uns die Hände und stellen fest, dass wir es wieder ’mal gut getroffen haben, wenn man Avignon einmal ignoriert.

Dann liest meine Frau im Reiseführer von dem Ort “Tossa de Mar”: Schnuckelige Altstadt – wir haben es mit schnuckeligen Altstädten – und im Sommer fest in der Hand der Touristen und 60 km entfernt.

Wir kommen dort um 11 Uhr an: Meer und Himmel blau, schöner Strand, nicht viel los. Wir wollen bleiben. Aber um 11 Uhr morgens in ein Touristenhotel und nach einer Übernachtung für nur eine Nacht fragen? Wir trauen uns. Hotel Florida , 3 Sterne, Bar Floridita! Wir fühlen uns an Havanna und Hemingway erinnert. An der Rezeption strahlt uns eine Dame an. Small-talk auf Spanisch, aber sie kann natürlich deutsch und … natürlich habe sie ein Zimmer. Wir können gleich rauf. 70 Euro mit Frühstück! Wir kriegen gleich den Schlüssel für das Automatic-Tor des Parkplatzes. Das Zimmer ist ne Wucht! Grosses Fenster mit Balkontür nach Süden und das gleiche noch Mal nach Westen. Draußen 10 Meter umlaufender Balkon! Wow-mässig ganz weit vorn!

Mittagessen an der Strandpromenade: 3-Gänge-Menü mit ganzer Flasche Wein für 11 Euro! Lecker! Auf der Promenade vor uns schaukelt hin und wieder ein unglaublich fettes englisches oder deutsches Paar wie Nilpferde im Passgang vorbei: Die Bermudas unterhalb des Bauchnabels gegürtet, Oberkörper schwabbelnd und unbedeckt. Die haben hier wirklich keinen estilo, ich bin ja auch nicht der schlankste, aber ich würde zumindest ein T-Shirt überziehen.

Danach ins Hotel zur siesta, obwohl wir die Flasche Wein nicht ganz geschafft haben.

Nachmittags am Strand, es hat 26 Grad Celsius und abends Bummel durch die Altstadt auf dem Berg. Dann auf der Hotel-Terrasse zur Strasse hin Rotwein und Sangría  und Canasta. Es gibt natürlich, weil es Floridita heißt und ein Bild von Hemingway an der Wand hängt, Mojito, Daiquiri, cuba libre und papa doble, den daiquiri mit dreifacher Menge kubanischen Rums, Papa Hemingways Spezialmischung, schließlich war er einer der größten Saufköppe.

Wir beschließen, noch einen zweiten Tag hier zu bleiben.

Selbiger begrüßt uns mit ca. 30 Grad. Es ist wie mitten im August. Wir machen eine Bootstour, die sogenannte Höhlentour. Auf dem kleinen Boot erzählt uns ein junger  Mann aus Budapest seine Lebensgeschichte und wir ihm unsere.

Das kleine Boot schaukelt nicht nur heftig, sondern quetscht sich auch in etliche Höhlen an der Küste und lässt uns dann an einer herrlichen Bucht mit weißem Sandstrand raus. Ulli ist schlecht!  Aber wohl weniger von dem Geschaukel als vielmehr von dem vielen Kaffee zum Frühstück. Wir bleiben dort zwei Stunden, dann holt uns das Boot wieder ab. Zurück ins Hotel, ein bisschen frisch machen und ab zum Menü für 11 Euro. Diesmal paella! Sehr gut!

Es ist hier sehr ruhig. Nur gestern Abend zog eine Horde deutschzüngiger Jugendlicher am Hotel vorbei, jeder eine Dose Bier vor sich her haltend wie einen Mercedesstern. Mir wird berichtet, das letztere auch nachts lärmend vorbeigezogen seien, aber das weiß ich nur aus zweiter Hand.

Reisebericht 2. Mail

 

Der nächste Tag: Es geht weiter. Im Reiseführer wird der Ort Peñiscula an der Costa Dourada als empfehlenswert ausgewiesen. Im Sommer zwar fest in der Hand der Touristen, aber sonst ok. Auch das Navi spielt mit, wenn man davon absieht, dass es uns eine 180-Grad-Wende auf einer Autobahnauffahrt vorschlägt und uns, bevor wir das Zentrum von Peñiscula erreichen, quer durch die Pampa führt. Tagestemperatur: Angenehme 24 Grad. Peñiscula ist, wie der Name schon sagt, sehr merkwürdig. Schaut man am Strand nach rechts, sieht man eine schöne alte Stadtmauer mit Burgberg, Burg und Burgzinnen oben drauf. Links ist das Grauen, abgefüllt in Bettenburgen. Wir beschließen, nur nach rechts zu gucken und finden ein Hotel mit Zimmer und Blick/Balkon auf den Strand für 53 Euro inklusive »desayuno«. Zum Strand müssen wir nur über die Strasse, auf der zu dieser Jahreszeit kaum was los ist. Nachmittags Baden, abends Burgbesichtigung und Altstadtbummel! Die Burg ist wahnsinnig! Wir klettern auf hohen und schmalen Stufen innen und außen ganz nach oben. Die Burg wurde von dem Templerorden errichtet und irgendein Pape, also Papst, hat sich hier auf der Flucht, wahrscheinlich vor seinem zeternden Weibe oder auch vor einem Gegenpapst, versteckt. Auf jedem Hof und auch ganz oben spielt aus Lautsprechern klassische Musik. Es hat eine tolle Akustik!

In einer Nebenstrasse dann später Bier und Tapas mit Serrano-Schinken! Njam! Njam! Vor dem Hotel am Strand noch´n Absacker und dann ins Bett.

Unser nächstes Ziel ist Elche oder, wie die Katalanen sagen, Elx. Die Katalanen sprechen sowieso alles sehr merkwürdig aus. Statt Buenos diás nuscheln sie bon dia und die ciudad ist ne ciutat. Ich glaube, die können gar kein Spanisch.

In Elche (sprich:Eltsche) gibt es keine Elche sondern Unmengen an Palmen. Es müsste daher eigentlich Palmsche heißen. Heißt es aber nicht! Und der berühmte Palmenhain befindet sich hinter Mauern, die kein Tor haben. Wir finden zumindest keins. Ohne Mauern ist aber der »parque municipale«. Der ist auch schön und wir schlendern von Restaurant zu Restaurante, weil meine Frau ständig muss.

Dann zweieinhalb Stunden Nach-Mittagessen auf einer Verkehrsinsel. Neben unserem Tisch kommt alle 5 Minuten der städtische Bus vorbei und fegt die Pommes vom Teller. Aber sonst ist das Essen gut und billig.

 

Wir haben wieder einen Ort an der Küste ausgemacht: Santa Pola.

Wir finden kurz vor der Strandpromenade einen Parkplatz und stolpern gleich nebenan in die »oficina de turismo«. Sie hat ne Karte vom Ort und kreuzt an, wo die drei Hotels sind: Ein ganz schickes am Strand gleich nebenan, zwei andere, nicht so schicke, weiter weg. Sonst gibt es nur Apartments von Engländern, Deutschen und Eingeborenen.

Wir gehen ins schicke. Zimmer 79 Euro im vierten von fünf Stockwerken, - im fünften ist das Restaurant und die Bar -, mit Balkon direkt überm Strand. Die Strandpromenade mit etwas Verkehr ist auf der anderen Seite vom Hotel. Wir: Erst einmal die 20 Schritte zum Strand und ab ins Wasser. Das Wasser ist deutlich kälter als die Außentemperatur, nämlich nur 24 Grad (das Wasser!).

Da es hier keine Burg und keinen Papst gibt, laufen wir die Strandpromenade einmal hin und zurück mit Umweg über 20 Schuh- und 10 Bekleidungsgeschäfte. In der tapas-Bar, direkt am Strand, dann ein paar Tapas und Cervezas. Zum Absacker hoch in den 5. Stock des Hotels.

 

Die Bardame kommt uns entgegen, sieht uns, dreht auf der Stelle um und macht die gesamte Beleuchtung in der Bar wieder an. Meine Frau bestellt einen Hierbas, das ist ein Kräuterlikör, ohne Eis  und bekommt ein großes Rotweinglas zur Hälfte mit dem Likör gefüllt. Ich bestelle einen Havanna Club Rum, sieben Jahre alt, auf Eis. Sie reicht mir ein Wasserglas rüber, dass bis zum Rand gefüllt ist, wobei die Eisstückchen durchaus nicht in der Überzahl sind.

Wir stehen auf der Dachterrasse des Polarmar, halten unsere Drinks in der Hand und blicken aufs Meer und das nächtliche Santa Pola und fühlen uns wie der Herrgott – wer auch immer das ist – in Spanien.

Meine Begleiterin schafft den Kelch Hierbas nicht. Sie ist knülle. Mein Havanna Club ist mir allerdings zu schade zum Wegschmeißen. Wir zahlen die 8 Euro für die vielen Prozente und geben ein reichliches Trinkgeld, schließlich hat sie extra unseretwegen die Bar wieder geöffnet, und wanken ins Bett.

 

Der Morgen begrüßt uns wieder einmal mit der aufgehenden Sonne über dem Meer und einem hervorragenden Frühstück.

Unten am Strand rafft sich ein einsamer junger Mann aus dem Sand, klopft seine Klamotten ab und kotzt erst einmal ausgiebig. Dann wankt er von hinnen.

Wir rufen Kathrin und Rex an, dass wir wohl am frühen Nachmittag in Bedar sein werden.

Wir sind am späten Vormittag da. Auf der Autobahn gab es neben untsächlich ab und zu auch einmal ein anderes Auto.

Kathrin klagt uns ihr Leid: Sie haben während ihrer Abwesenheit  die Straße vorm Haus mit Betonsteinen gepflastert und die riesige Bougainvillea, die ihre Haustür umrahmte, einfach rausgerissen. Sie ist stinksauer und bereitet sich auf einen Tanz mit dem alcalde (Bürgermeister) vor.

Wir trinken erst einmal einen Kaffee. Rex hat sich hingelegt. Er ist zur Zeit nicht so gut drauf, da er kürzlich einen Hexenschuss hatte (Kathrin wars nicht!). Schließlich ist er ja auch schon 91 Jahre alt.

Dann fahren wir runter ans Meer nach Mojacar-Playa und suchen eine Bleibe: Einmal 10 Kilometer hin und wieder zurück. Es gibt massenhaft (leerstehende) Apartments und nur wenig Hotels. Dann fragen wir in einem Restaurant nach, bei dem auch das Wort »hostal« steht. Bei fünf Tagen Aufenthalt 30 Euro fürs Zimmer ohne Frühstück; wohlgemerkt: Fürs Zimmer, nicht pro Person. Wir schauen uns erst einmal das Zimmer an: Einfach, französisch schmales Bett und Terrasse, fast doppelt so groß wie das Zimmer, mit Blick über die Straße aufs Meer. Wir nehmen es.

 

Zum Abendessen sind wir bei Kathrin und Rex eingeladen.

Wir sitzen auf der Dachterrasse und schauen über die Ebene bis zum zehn Kilometer entfernten Mittelmeer. Die Sterne blinken, die Kirchturmuhr schlägt und die Grillen machen einen Höllenlärm. Hört! Hört! Auch Ulli hört’s!

Dann zurück nach Mojacar-Playa, denn ich darf nicht so viel trinken, es sind zu viele Serpentinen die Berge runter.

Und noch einen Absacker! Neben unserem Hostal legt ein furchtbar englischer DJ furchtbar englische Musik auf den Teller, das muss so etwas wie Roy Black und Drafi Deutscher auf Englisch sein, denn eine Gruppe von vier englischen Oldie-Boys, so um die 40, grölen lauthals mit. Doch dann kommen plötzlich schicke Oldies von Elton John, Lionel Ritchie und Smokie. Die 4 Boys grölen zwar immer noch mit, aber es klingt nicht mal schlecht und wir betreten die heiligen englischen Hallen für einen pint und einen halben.

Der Laden wird immer voller und die vier Boys auch. Neben ihrem »pint o’ bitter« oder »lager«, den sie relativ langsam genießen, schenkt die Wirtin ihnen etwa alle zehn Minuten etwas Merkwürdiges ein: In ein Wasserglas wird ein Schnapsglas gestellt. Dieses füllt sie bis zum Überlaufen mit so etwas Ähnlichem wie Jägermeister. Dann gießt sie so lange Red Bull da drauf, bis das Schnapsglas »unter Wasser« ist. Das alles stürzen die vier Jungs dann in einem Zug in sich hinein, ohne das Schnapsglas zu verschlucken. Die Jungs halten sich erstaunlich gut und die Musik ist gelegentlich auch richtig nach unserem Geschmack. Auch die vier Schluckspechte törnt die Musik so an, dass sie anfangen zu tanzen, allerdings mit sich selber, aber erstaunlich gut im Takt.

Das können wir auch. Wir legen zweimal einen Jive aufs Parkett. Die Jungs sind beeindruckt. Im Laufe der nächsten halben Stunde kommt jeder einmal bei uns vorbei, um uns, ganz im Vertrauen und im breitesten East-London-Cockney-Dialekt zu verraten, dass er unseren Tanz ganz toll fand. Doch bevor die Jungs auf die Idee kommen, uns an ihrem Besäufnis teilhaben zu lassen, verdrücken wir uns heimlich nach nebenan ins Bett.

Die Nacht ist relativ ruhig, der Verkehr auf der Strasse ist fast eingestellt, es ist sowieso nur Ortsverkehr und der furchtbar englische DJ mit seinen Grölemännern ist auch kaum zu hören.

 

Der nächste Tag ist noch heißer. Wir treffen uns mit Kathrin und Rex zum Baden am Strand. Das Meer hat inzwischen Ullis Wohlfühltemperatur von 25 Grad erreicht. Allerdings halten wir es nicht länger als zwei Stunden aus; wir haben keinen Sonnenschirm. Also ab ins Hostal, Klimaanlage an und siesta!

Kathrin hat uns von einer Bar weiter im Süden am Strand erzählt, wo abends life-music sein soll: Das Irish-Rover!

Nach der Siesta, so gegen vier Uhr, sieht man zwei bekloppte Deutsche in glühender Sonne auf der Strandpromenade nach Süden wandern. Das sind wir. Sonst ist kein Mensch und ein Hund unterwegs.

Wir finden nicht nur, dass der Strand, die Promenade und die ganze Anlage hier sehr schön ist, sondern auch das Irish-Rover. Es sind 15 Minuten zu Fuß von uns aus. Wir beschließen, abends dort hin zu gehen.

 

Um acht Uhr geht es los mit der Musik. Ein junger Irrer, nein, Ire, namens Tommy McCarthy, singt zur Musik. Er hat ´ne echt tolle Stimme. Das sagen wir ihm auch. Er strahlt vor Freude. Er singt hauptsächlich alte Lieder von Sinatra und Co. Zu seinem letzten Lied, einem Chachacha, tanzen wir. Das findet er toll.

Dann ist Pause und es kommt einer auf die Bühne mit Schmalzlocke und schwarz gegeltem Haar. Er sieht wie eine jüngere Version von Dean Martin aus. Und was singt er? Dean Martin!

Bei »It’s amore« tanzen wir Wiener Walzer, dann noch einen Chachacha und einen  Quickstep. Auch Schmalzlocke findet das gut. Aber die meisten seiner Stücke sind Slow-Fox und dafür ist die Tanzfläche zu klein. Wir halten bis nach elf Uhr aus.

 

Heute ist Flohmarkt in Mojacar. Wir fahren hin. Der Markt ist dürftig. Mehr oder weniger Sperrmüll und sonstiger Krempel und nicht mal ein Floh! Wir sind enttäuscht, trinken in einer Bar unter lauter lärmenden spanischen Großfamilien eine Cola und ein Wasser und fahren zurück zum Strand. Baden!

Der Strand ist heiß und es folgt eine Aufzeichnung eines Trialogs zwischen der Fußsohle links (FSL), der Fußsohle rechts (FSR) und dem Großhirn (GH):

»FSL an GH; Alarmstufe rot! Wohlfühltemperatur weit überschritten! Sofort Befehl zum Fußheben geben!«

Gleichzeitig - »FSR an GH: Alarmstufe tiefrot! Brandgefahr! Sofort Befehl zum Fußheben geben!«

»GH an FSL und FSR: Ausführung gleichzeitig nicht möglich! Schwerkraft ist dagegen!!«

»FSL an GH: Aua! Aua! Aua!«

»FSR an GH: Aua! Aua! Aua!«

 

Abends trinken wir einen Mojito und ein Bier in einer Bar an der Promenade. Die Bar ist bunt beleuchtet, unter Palmen und es riecht nach Räucherstäbchen. An verschiedenen Stellen stehen Buddha-Statuen herum. Es sind eigentlich keine Buddhas, dafür sind sie nicht dick genug. Es handelt sich wohl eher um »Harald Krischna« und seinen Kumpel von Unilever »Harald Rama«.

Dann finden wir uns im Irish-Rover wieder. Tommy McCarthy singt im Duett mit Schmalzlocke Lieder von Cole Porter, Frank Sinatra und natürlich Dean Martin. Später gibt es Irisches Karaoke. Das ist ganz anders als europäisches und erinnert uns an einen Film über eine Amerikanerin in einem irischen Dorf mit Sänger-Wettbewerb.

Tommy fordert einzelne auf, sich auf die Bühne zu begeben. Offenbar kennt man sich. Und die legen dann los. Und wie! Man reißt sich förmlich darum, auf die Bühne zu kommen und sein Talent zum Besten zu geben. Und die Girls und Boys (älteren Semesters) haben Talent! Fast alle können hervorragend singen und die meisten schauen nicht einmal auf den Teleprompter. Und wenn eine oder einer es mal nicht so gut kann, wobei „nicht so gut“ bedeutet, dass sie nicht so eine volle Stimme haben, aber grundsätzlich den richtigen Ton treffen, also in dem Fall fällt das gesamte Publikum mit ein und singt lauthals und noch lauthälser mit. Offenbar kennt jeder jeden Text.

 

Am nächsten Morgen stehen wir mit dem Sonnenaufgang, der sich vor unserer Terrasse inszeniert, auf. Wir sind zum Frühstück bei Kathrin und Rex eingeladen und zum Wäschewaschen, das heißt unsere Wäsche, nicht ihre. Und wir wollen ins Rathaus zum Internet und die E-Mail verschicken. Aber es ist Nationalfeiertag und das Rathaus ist dicht.

Na, vielleicht morgen! ...

 

Reisebericht 3. Mail

Gegen Mittag fahren wir runter nach Mojacar Playa zum Baden. Dann Menue in unserem Haus-Restaurant für 9 Euro. Ausgezeichnet, frisch, reichlich und lecker. Anschließend aufs Zimmer, Klimaanlage an und siesta! Abends der obligatorische Marsch über die Promenade mit hier ein Bierchen, dort ein Bier. Übrigens in dem großen Kasten = Hotel am Ende der Playa ist jeden Abend Tanz, aber erst ab 22.00 Uhr. Das ist uns zu spät, schade!

 

Am Tag darauf fällt das Wasser, was sich normalerweise im Mittelmeer befindet, vom Himmel.

Es ist etwas abgekühlt und hat ’ne mächtige Brandung.

Frühstück bei Kathrin und Rex und anschließend zum Bürgermeister. Zwar nicht zu ihm persönlich, sondern zu seinem Internetanschluss. Und ich verbringe fast den halben im Wesentlichen damit, meine Aufzeichnungen über die Reise einzutippen - spanische Tastatur - und zu versenden.

Meine Frau verbringt den Tag mit der Wäsche, hauptsächlich Bügeln und hat schlechte Laune. Deswegen rennt sie abends über die Promenade, ich kann kaum folgen, und wir landen gleich nebenan bei den Engländern. Ihr wisst schon: Die vier Boys. Aber es ist überall gähnend leer. Die Engländer sammeln ihre fast wertlosen Pfunde ein und dann ab auf die Insel!

Ich bestelle »una cerveza«, das versteht die Wirtin. Iso sagt: »para mi también«. Das versteht sie nicht und guckt wie ein Austin Mini. Wir stellen fest, dass sie überhaupt kein Spanisch kann. Sie und ihre ganze Crew sprechen nur Englisch. Mojacar playa ist offenbar für die Engländer so etwas wie Malle für die Deutschen.

 

Am nächsten Tag ist das Wasser wieder da, wo es hingehört, nämlich im Mittelmeer. Und der Himmel so blau, als könne er kein Wässerchen trüben.

Es folgen zwei Bade- und Shoppingtage. Garrucha, der Nachbarort, hat 84,35 Schuhgeschäfte und 95,8 Klamottenläden. Ich kenne sie nun alle.

Weiteres demnächst.

 

Reisebericht 4. Mail

 

Die Reise endet abrupt. In der Nacht geht es meiner Frau sehr schlecht. Sie hat heftige Magenbeschwerden und kann nicht schlafen. Es ist so schlimm, dass wir eigentlich einen Notarzt brauchen. Sie hält bis morgens durch und wir rufen Kathrin an. Sie sagt, dass es mit den spanischen Ärzten nicht so toll ist, einzige Möglichkeit: Krankenhaus in Almería. Da war Rex auch schon, allerdings war was auch nicht so prickelnd, eigentlich grottenschlecht. Man sitzt dort nur und wartet. Die Schmerzen sind am Morgen nicht mehr ganz so schlimm und nach kurzer Beratung beschließen wir, nach Deutschland zurück zu fahren. Kathrin hält das auch für das Beste.

Wir lassen die bereits im Internet bestellten Eintrittskarten für die Alhambra in Granada am Freitag Mittag sausen, und ab geht es auf die Autobahn.

 

Meiner Partnerin geht es etwas besser und sie kann die Fahrt recht gut ab. Wir kommen bis Girona und übernachten im uns schon bekannten freundlichen Ibis Hotel. Iso schläft gut, die Betten sind auch wirklich gut. Am nächsten Tag geht es ihr schon so gut, dass sie vorschlägt, einen Abstecher an die Küste nach Cadaqués zu machen, wo Dali gelebt hat und wir das dortige kleine Museum, hauptsächlich mit Fotos aus seinem Leben visitieren. Von dort geht es weiter eine schmale und traumhaft schöne Strasse durch die bergige Wildnis nach Port Llegat: Ein Leuchtturm mit Restaurant und toller Aussicht. Nur der Wind lässt einem die Wangen nach hinten flattern. Damit geht auch der halbe Tag drauf.

Wir beschließen bis Aubenas im Ardeche-Tal zu fahren. Dort gibt es ein Ibis-Hotel.  Das Navi kennt drei Aubenase oder heißt es Aubenasen. Zwei im Gebiet Rhone-Alpes, das dritte im Ardeche-Bereich. Wir geben das dritte ein und das Navi führt ins in die Pampa. Das Aubenas – mit noch was dran, erreichen wir nach Fahrten durch enge und engste Straßen, auf denen uns nicht ein Mensch, beschweige denn ein Fahrzeug, begegnet. Kurz vor Dunkelwerden erreichen wir unser Ziel: Drei Häuser, 5 Eingeborene, ein Hund und drei Hühner.

Dann kommen wir auf die glorreiche Idee, die Postleitzahl und die Straße des Ibis-Hotels einzugeben, wie es in unserem Ibis-Katalog steht. Und siehe da: Es gibt noch ein viertes Aubenas und das ist 83 km weg. Also 83 km nachts durch das Ardeche-Tal, Terpentin über Terpentinen und wir kommen im Ibis-Hotel an, das Restaurant hat aber schon zu. Sie schicken uns ein paar Meter weiter in so’n Buffalo-Grill, oder ähnlich, zum Essen. Ich bestelle ein entrecôte oder so was Ähnliches, well-done, weil ich das französische Wort für »durchgebraten« nicht weiß. Und ich bekomme ein Stück Kohle. Das Fleisch völlig schwarz gebrannt, bitter. Ich sage: »Das ist ungenießbar,« und lasse es zurückgehen. Mit 2.000 blumenreichen französischen Worten, die ich alle nicht verstehe, erklärt die Bedienungstusse, dass das immer so wird, wenn man es durchgebraten haben will, auf dem Grill ginge das nicht anders. Aber sie nimmt es zurück. Leider hat das mir sämtliche französischen Worte verschlagen und ich kann ihr nicht sagen, dass der Koch gar keiner sei, sondern bisher als Köhler gearbeitet habe und wenn er nicht wisse, wie man Fleisch auf dem Grill durchbrät, dann solle er ´mal zu mir in die Lehre kommen.

Als sie das Fleisch dann wieder bringt, d.h. natürlich ein anderes, ist es ok, aber sie palavert wieder, dass der Koch es nicht auf dem Grill, sondern extra für mich in der Pfanne gebraten habe. Also, Wanderer, kommst du nach Spa, nein nach Aubenas in den Buffalo-Grill, dann verlange niemals durchgebratenes Fleisch oder gucke dir vorher den Koch an. Wenn der aussieht wie ein Köhler und mit Vornamen auch noch Horst heißt, dann ergreife eilends die Flucht. Aber sonst war die Bedienungstusse sehr nett. Sie hat für meine Frau, wegen ihres kranken Magens extra nur ’ne Schüssel Reis gebracht und nicht einmal berechnet.

Den nächsten Tag zu der Sippe nach Saarbrücken. Norbert hat extra für uns Lammkotelets gekauft und wir bleiben bis zum nächsten Mittag. Auch um Schwester Ingeborg noch zu sehen.

 

So, wenn ihr diese E-Mail lest, sind wir schon wieder zu Hause und meine bessere Hälfte ist zu ihrer Ärztin gegangen. Mal sehen, was die sagt.

 

© Ulli Kammigan, 2009