São Vicente

 

 

 Frühmorgens um Viertel nach vier bringt uns Pedro mit dem Klapperbus zum Flughafen. Der Flug nach São Vicente geht erst um sechs. Die spinnen, die Leute von Olimar! Es ist ein Inlandflug und kein Mensch ist so früh am Flughafen. Doch so nach und nach trudeln die zwanzig Mitreisenden ein, darunter – außer uns natürlich – eine weitere Weiße. Check-In, Gepäckkontrolle und Boarding läuft sehr entspannt ab. Die Propeller-Maschine hebt pünktlich ab und landet fünfzig Minuten später auf São Vicentes Airport Cesaria Évora.

 

São Vicente, so sagt man, sei die europäischste der Kapverdischen Inseln, Santiago die afrikanischste. Wir merken es daran, dass das Pick-Up-Taxi innen blitzsauber und so gut wie neu ist. Unsere gepflegte Unterkunft, das Don Paco Hotel, liegt im Zentrum von Mindelo dicht am Hafen. Von unserem Hotelfenster schauen wir auf die bunten Häuser der Stadt, die sich am Hang hochziehen und links auf den Yachthafen, auf das Fähren-Terminal und dahinter auf Kräne, die einen größeren Frachter beladen.

Auf São Vicente haben wir drei Tage. Am Montag sind wir um sieben angekommen und konnten im Hotel bereits einchecken. Wir haben also einen ganzen Tag zur Verfügung. Der Dienstagvormittag ist für Stadtbesichtigung mit Guide vorgesehen und am Mittwoch fliegen wir erst abends wieder ab. Wir haben natürlich erst einmal unsere eigene Stadtbesichtigung absolviert und in der »Pasteleria Morabeza« – Insider-Tipp von Marco Polo – leckeren Kuchen und Kaffee unter überwiegend Einheimischen in uns hineingeschaufelt und -geschüttet und zwischendurch ein paar historische und prunkvolle Gebäude fotografiert. Mindelo kann sogar mit einer Nachbildung des »Torre de Belem« in Lissabon aufwarten. Naja! Muss man nicht gesehen haben.

Dienstag neun Uhr: Wir sitzen in der Lobby des Hotels und warten auf unseren Führer, der uns die Highlights der Stadt zeigen will. Es ist viertel nach neun. Kein Stadtführer weit und breit. Wir rufen die Agentur an. Man will sich kümmern.

Fünf Minuten später kommt der Rückruf: Der Stadtführer hat sich im Datum geirrt, aber wird um zehn da sein. Ist er dann auch und entschuldigt sich vielmals. Dann geht es los. Er kennt alle und jeden und erzählt viele Geschichten. Manches ist uns bekannt – wir lesen ja immer brav unseren Reiseführer, manches ist neu. Jedenfalls ist Mindelo wohl die einzige aufstrebende Stadt. Das hat sie ihrer Lage mit dem geschützten Hafen zu verdanken. Er besteht aus einem eingestürzten ehemaliger Krater mit einer Öffnung zum Meer. Dieser Hafen zog die Menschen schon früher von überall her an. Hier, so hieß es, könne man Geld verdienen. Daher hat Mindelo noch heute eine wohlhabende Oberschicht und eine ausgeprägte Mittelschicht. Von der reichen Vergangenheit zeugen die vielen erhaltenen Stadthäuser und Villen im Kolonialstil erbaut. Dann schafft es unser Guide, uns doch noch in die Replik des Torre de Belem zu locken. Drinnen befindet sich ein Museum über die Geschichte der Stadt. Der Aufstieg ins oberste Geschoß beschert uns dann einen Panoramablick auf die Stadt.

 Das Taxi, welches uns zu den Gitarrenbauern bringen soll, lässt noch etwas auf sich warten. Also füllen wir unseren Flüssigkeitsbedarf in einem kleinen Café am Hafen auf, in dem unser Führer erst einmal nach hinten verschwindet, um alle hier versammelten Freunde und vor allem Freundinnen und deren von ihm abstammenden Nachwuchs zu begrüßen. Auf den Kapverden heiratet man eher selten. Aber die Väter kümmern sich in der Regel um ihre überall herumschwirrenden Kurzen, denn das größte und am meisten zu schützende Gut ist die Familie. Und die ist groß. Irgendwer hat immer einen Verwandten in Mittel-, Nord- oder Südamerika, der regelmäßig Geld schickt und so das Überleben der ganzen Sippe sichert.

 

Das Taxi kommt und bringt uns nach einer kurzen Fahrt zu den Gitarrenbauern. Die Familie, Großvater und Gründer des Unternehmens, Vater, Onkel und Enkel zeigen nicht nur, wie sie die Instrumente bauen – wir sehen Gitarren verschiedenster Art und im unterschiedlichen Fertigungszustand, sondern sie spielen anschließend auch für uns einheimische Musikstücke.

 Am Abend liege ich auf einem Bett umgeben von fünf bildhübschen jungen Frauen, die, weiß der Geier wie, irgendwie vom Laufsteg des Miss-Cabo-Verde-Beauty-Contests herabgestiegen sind, um sich liebevoll um mich zu kümmern. Hört sich großartig an! Ist es aber nicht. Wie ist es dazu gekommen?

 

Nun, die Gitarrenbauer hatten gerade ihre Musik beendet, als ich unseren Führer bat, mich im Taxi zurück ins Hotel zu fahren. Ich hatte krampfartige Bauchschmerzen bekommen und musste mich hinlegen. Mein Weib wollte bei mir bleiben, aber ich konnte sie überzeugen, die Führung allein mit dem Guide zu beenden, zumal noch ein kostenloses Essen in einem typischen einheimischen Restaurant enthalten war. Da bei mir die Krämpfe immer stärker wurden, fuhren wir später mit dem Taxi in die einzige Privatklinik und kamen, nach Hinterlegung eines kleineren Geldbetrages, auch gleich dran. Drei kapverdische Schönheiten, die man auch als Krankenschwestern bezeichnen kann, platzierten mich auf eine einfache Liege. Kurz darauf: Auftritt der jungen Ärztin. Sie stolzierte in den Raum und meine Schmerzen wurden gleich geringer. Sie war nicht nur bildschön, sondern trug auch das entsprechende Outfit: Enger, figurenbetonender Micro-Rock mit knappem Oberteil unter offenem weißen Kittel. Es gab nur ein kleines Problem: Weder sie, noch die drei herumschwirrenden Engel sprachen Deutsch. Aber auch kein Englisch, Französisch, Spanisch und vermutlich nicht einmal Portugiesisch. Allein Creolio. Nach einer Viertelstunde Herumfuchteln mit allen Gliedmaßen, worüber sich die Schönheiten kringelig lachten, betrat eine fünfte den Raum und fragte: »Can I help you?«

 

»Thank heaven!«, sie sprach Englisch – dachten wir. Wir konnten tatsächlich ein paar Informationen übermitteln, aber das war es dann schon auch. Als ich dann auch noch den Fehler machte, in den Phasen, in denen es mir halbwegs gut ging, Witze zu machen und Sprüche zu klopfen, die sie in etwa verstanden, wurde ich nicht mehr ernst genommen. Erst nach einem zweiten kolik-artigen Anfall mit Erbrechen, erbarmte man sich meiner und schob mit zarten Händen eine kleine Spritze in meinen Gesäßmuskel.

 

Um es kurz zu machen: Die Spritze wirkte, mir ging es wieder gut und nach einem Smalltalk, der eher in Gesten bestand und die Mädelsriege sich vor Lachen kugeln ließ, wurde ich entlassen.


 

 

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