2. Île Maurice (Mauritius)

 

Moritz begrüßt uns mit Regen. Sehr warmer Regen. Wir sind wieder auf der Île Maurice oder Mauritius, etwa 200 Kilometer östlich von Réunion gelegen.

 

Als die Insel von den Holländern übernommen wurde, benannten sie sie nach ihrem Prinzen Moritz (Maurice) von Nassau. Nachdem sie alle Ebenholzwälder abgeholzt und den letzten Dodo, den einheimischen Laufvogel, umgebracht hatten, zogen sie wieder ab. Dann kamen die Franzosen, nannten die Insel Ile de France und meinten, dort mit Sklaven und Zuckerrohr viel Geld verdienen zu können. Das taten sie dann auch, was die Engländer, denen die Franzosen sowieso schon immer ein Dorn im Auge waren, neidisch werden ließ. Sie fingen Streit an und siegten. Ich persönlich glaube, dass sie die Franzosen nur zu einem typisch englischen Essen eingeladen hatten. Davon wurde den Menschen des Savoir-vivre so schlecht, dass sie fluchtartig die Insel verließen. Das nehmen die Mauritianer ihnen noch heute übel. Obwohl die offizielle Amtssprachen Englisch ist, sprechen die Einheimischen viel lieber Französisch oder eben Kreolisch.

 

Die Engländer nannten die Insel wieder Maurice, aber da sie kein Französisch können, machten sie Mauritius daraus. Dann waren sie auch noch so dusselig, eine der ersten Briefmarken des Landes als Fehldruck herauszubringen. Aber es heißt ja: »Glück ist mit die Dummen«. Sie wurde zur berühmtesten Marke der Welt: die Blaue Mauritius.

 

Soweit der geschichtliche Exkurs.

 

Die Blaue Mauritius?

 

Ist jdenfalls blau und 'ne Briefmarke von Mauritius über 18 Rupien.

Als wir in unserem Hotel »La Pirogue« ankommen, zeigen sich die ersten Flecken blauen Himmels und nachts ist es dann sternenklar. Unter dem Kreuz des Südens schlendern wir unter Palmen durch das Gelände.

 

La Pirogue ist ein echter Luxusschuppen. Ein Bediensteter füllt für uns die Anmeldung aus, während wir am Begrüßungs-Cocktail nuckeln. Dann werden wir mit einem Elektro-Buggy durch die Gegend gekurvt und der Fahrer erklärt, wo was ist. Die Anlage ist ein lichter Kokospalmenwald, unmittelbar am weißen Sandstrand gelegen. Die strohgedeckten komfortabel eingerichteten Hütten bilden jeweils ein Halbrund unter den Bäumen. Das Stroh ist allerdings kein Schilf sondern besteht aus getrockneten Blättern des Zuckerrohrs. Wir leben also »unter Zucker«. Oder vielleicht unterzuckert?

 

Auch vor dem Restaurant am Hauptgebäude stehen vier weitere offene Hütten, in denen man ebenfalls seine Mahlzeiten einnehmen kann. Nur das Hauptgebäude selbst ist gewöhnungsbedürftig. Es ähnelt eher einer schwangeren Auster als einer Hotelanlage.

Man hat die Auswahl zwischen mehreren Restaurants, als Buffet oder á la carte und dazu Life-Musik. Natürlich alles unter offenen Zuckerrohr-Strohdächern. Wir schwingen dann auch das eine oder andere Tanzbein.

 

Tags darauf liegen wir im Schatten von Kokospalmen und schauen auf die Brandung weit draußen am vorgelagerten Riff. Die Lagune zwischen Riff und Strand ist wieder sehr flach; man muss aufpassen, dass man nicht auf die Korallen tritt.

 

Am nächsten Abend gibt sich die Hotelleitung die Ehre, zu einem Umtrunk auf der Poolwiese einzuladen. Man steht herum, ein Glas Sekt oder Punsch in der Hand und die Hotelleitung kommt persönlich zu einem Smalltalk vorbei.

 

Später ist Sega angesagt: Die einheimische Musik und der Tanz afrikanischen Ursprungs. Die farbenfroh gekleidete Gruppe spielt auf den Originalinstrumenten, dazu gibt eine der Tänzerinnen Erklärungen ab. Ein Spektakel und Feuerwerk von Farben und Bewegungen.

Unterwegs auf Mauritius

 

Nach ein paar Strandtagen reichte es uns. Immer nur unter Palmen auf blauen Himmel, weiße Wolken, blaugrüne Lagunen und die Gischt am Korallenriff schauen und darauf warten, dass einem eine Kokosnuss auf den Kopf fällt, ist nicht wirklich befriedigend.

 

Also stellen wir uns an den Straßenrand, dort, wo ein kleines blaues Schild einen Bus-Stopp anzeigt. Auf der anderen Straßenseite steht ebenfalls ein älteres Paar und ist etwas irritiert, denn dies ist die vorletzte Station. Warum stehen wir so, dass nur noch eine Station kommt, da können wir doch gleich zu Fuß hingehen? Doch dann dämmert es ihnen. Auf Mauritius herrscht Linksverkehr und sie stehen auf der falschen Seite. Etwas verlegen grinsend kommen sie eilends zu uns herüber.

 

Dann kommt auch schon der Bus angeklappert. Das Fahrzeug versprüht 50er-Jahre-Charme: Sitze aus Metallrohr mit verschlissenem Kunstleder bezogen, die Rückseiten aus Resopal. Der Fahrer hupt jedes Mal, wenn auf der Straße ein hübsches Mädchen geht – und er hupt häufig. Er hupt allerdings auch, wenn er Passanten am Straßenrand sieht, bei denen er aus unerfindlichen Gründen der Meinung ist, sie könnten sich entscheiden, in seinen Bus einzusteigen. Wir kommen also im Schneckentempo voran und brauchen fast zwei Stunden, um die 30 Kilometer entfernte, nächst größere Ortschaft »Quatre Bornes« zu erreichen. Nachdem ein paar Stationen weiter das ältere Ehepaar ausgestiegen ist, sind wir auf der gesamten Hin- und auch Rückfahrt die einzigen nicht Einheimischen im vollen Bus.

 

Nun, Quadre Bornes ist wühlig, nur auf dem Markt herrscht gähnenden Leere, und in der Cascavelle Shopping Mall, auf halber Strecke zurück, frönt meine bessere Hälfte ihrer Leidenschaft, in den ausgestellten Kleiderständern zu wühlen. Aber die Busfahrt war schon witzig.

 

 Der Abend klingt aus – wie immer – mit Livemusik, und das Kreuz des Südens im – auch wie immer – sternklaren Himmel weist uns den Weg zurück zu unserer Hütte. Es steht nämlich – so telenovela-mäßig – genau vor uns, da unser Weg in der weitläufigen Anlage parallel zum Strand exakt nach Süden führt.

Nach einer Regennacht und einem Tag mit schwarzen Wolken im Süden – etwa zehn Kilometer südlich von uns muss es heftig regnen, während bei uns die Sonne scheint –, machen wir uns am kommenden Tag auf die Tour durch den Wilden Südwesten. Wir sind zu sechst in einem Kleinbus mit deutschsprachiger Reiseleitung.

 

Wir umfahren den Morne Brabant, einen Berg und Weltkulturerbe der UNESCO. Hier spielte sich einst ein Drama ab. Auf den schwer zugänglichen Höhen hatten sich viele entlaufene Sklaven versteckt. Als dann die Sklaverei abgeschafft war, schickte die Regierung Polizisten in das Gebiet, um ihnen das Ende der Sklaverei zu verkünden. Die Geflohenen glaubten, in ihnen ihrer Häscher zu erkennen und stürzten sich aus Verzweiflung zu Hunderten in den Tod.

Vorbei geht es an den ehemaligen Salinen in die Berge zum Chamarel-Wasserfall. Das Wasser schießt in zwei Kaskaden fast hundert Meter talwärts. Hier herrscht heftiges Geschnatter. Um einen Blick auf den Wasserfall zu werfen, muss man erst einmal einige Dutzend Chinesinnen und Chinesen beiseite schupsen. Um ehrlich zu sein: Es sind nur fünf, aber sie schnattern, als wären sie dreißig.

Weiter geht es dann zu den Terres des Couleurs, dort wo der wellenförmig ansteigende kahle Boden in Rosa-, Purpur- und Brauntönen leuchtet. Ein Highlight für alle Touristen, vor allem für solche aus dem Reich der Mitte.

Schließlich werden wir, nach einem reichlichen Mittagessen, mit Rum in verschiedenen Variationen abgefüllt: Doppelt destilliert, mit Kaffee-, Vanille-, Pfirsich- und Kokos-Geschmack. An das Restaurant angeschlossen ist eine Rum-Destillerie.

Unübersehbar ist später die 35 Meter hohe Shiva-Statue am Grand Bassin, dem heiligen See der Hindus, ein erloschener Vulkanschlot. Die quietschbunte Tempelanlage ist im Februar/März zum Maha-Schivatree-Fest das Ziel Hunderttausender Hindus aus aller Welt. Ein junges Hindu-Paar lässt sich gerade segnen und ich darf anschließend die hübsche Frau mit dem Zeichen Shivas auf der Stirn fotografieren.

Auf dem breiten Pilgerweg zur Tempelanlage haben sich mangels frommer Hindu-Pilgerer ein paar freche Makaken, die hier Jacot dansé heißen, breit gemacht und fordern recht aggressiv Futter von den vorbeifahrenden Touristen. In den umliegenden Wäldern leben bis zu 60.000 dieser aus Indien eingeschleppten Affen.

Die Tour hat sich gelohnt, auch wenn die deutschsprachige Führerin gewöhnungsbedürftig war. Irgendwie wirkte sie schlecht gelaunt und zog ziemlich über die Mauritianer her. Naja, man kann nicht alles haben.

Die Fahrt mit dem Klapperbus am nächsten Tag in die Hauptstadt Port Louis ist wieder ein Erlebnis. Wir beide haben es uns auf einer Bank hinter dem Fahrer bequem gemacht. Sie bietet für zwei Personen gut Platz. Aber wenn es voll wird drängeln sich drei Fahrgäste aneinander. Und es wird voll. Eine junge dunkelhäutige Schönheit quetscht sich neben mich. Eigentlich ganz nett. Nur hat sie ein mächtig ausladendes Hinterteil und die passende Oberweite dazu. Also wird es eine sehr kuschelige, schaukelnde Fahrt nach Port Louis bei gefühlten Temperaturen von 37 Grad Celsius.

 

In Port Louis gibt es viel zu sehen – wenn man es denn schafft bei drückender Hitze, mörderischem Verkehr mit ständigem Gehupe und dichtgedrängten Menschenmassen weit zu kommen. Wir schaffen gerade einmal den großen Markt, machen hier und da ein paar Fotos und werden ständig von Einheimischen angequatscht, die uns von ihren einmalig günstigen Angeboten überzeugen wollen. Kein Wunder! Mit der vorm Bauch baumelnden Kamera, den knielangen Hosen über stacheligen Beinen und Sandalen an den Füßen – allerdings ohne die obligatorischen weißen Söckchen – hätte ich mir auch ein Schild um den Hals hängen können: »Doofer Tourist! Will beschissen werden!«

 

Völlig verschwitzt flüchten wir in die wohltemperierten Konsumtempel. Meine bessere Hälfte ersteht einen Rock und diverse Tops, unter anderem von Dolce und Gabbana, zu einem Spottpreis und ich lasse mir ein Freizeithemd aufschwatzen. Dann quälen wir uns durch die flimmernde Hitze zurück zum Bus und schwitzen heimwärts gen Flic en Flac, so heißt der kleine Ort in der Nähe unseres Hotels.

Zwei Tage später ist es ähnlich heiß. Nicht im Bus, sondern auf dem Katamaran. Wir sind den ganzen Tag auf dem Wasser. Auf der Busfahrt zur Ostküste zeigt sich der Himmel noch bedeckt und es gibt sogar drei Regentropfen in fünf Reihen. Im Südosten nahe Mahebourg klettern wir dann auf den Katamaran und segeln, mit Unterstützung vom Dieselmotor, durch die Lagune nach Norden. Die Lagune ist hier fast fünf Kilometer breit, das Riff ist nur am Horizont zu erahnen. Die Wolken lösen sich auf und alle Mitreisenden, 25 an der Zahl, suchen Schutz unter dem Sonnendach.

Erster Stopp nach etwa einer Stunde. Brille, Schnorchel und Flossen werden verteilt. Ab geht es in die flache Lagune. Viel los ist unter Wasser wenig. Nur gelegentlich kommen ein Fisch oder auch drei vorbei und wedeln gelangweilt mit der Flosse. Ich habe wohl die falsche Stelle vollgeschnorchelt.

 

Nachdem alle wieder an Bord geklettert sind, führt die Fahrt zu den Wasserfällen von »Grande Riviére Sud-Est«. Wir steigen um in ein kleines Boot. Es herrscht Bootsgedränge. Nur jeweils ein Boot kann die enge Passage zwischen den Felsen im Fluss bewältigen, um zum Wasserfall zu gelangen. Nun! Das Wasser fällt so vor sich hin! Aber das eigentliche Highlight sind die überall in der Felswand und in den Bäumen hängenden Makaken. Sie seilen sich an den langen und dünnen Ästen ab, um das von den Touristen vorsichtig hingehaltene Brot zu ergattern. Vorsicht ist deshalb geboten, weil die Tiere gern einmal zubeißen, besonders dann wenn sie schlecht gelaunt sind, weil der Obermakake sie schon wieder daran gehindert hat, ihre Makakinnen zu bespringen. Aber Makaken sind ja keine Bonobos. Letztere sind bekannt dafür, jeden kleinen Konflikt sofort durch ausgiebigen Sex zu lösen. Könnte sich mancher eine Scheibe von abschneiden!

Nach einem leckeren, vom Schiffskoch auf dem Grill am Außenheck zubereiteten Mahl, steuern wir dann die Île aux Cerfs an, beliebt wegen ihrer weißen Strände. Hier mischen wir uns für eineinhalb Stunden unter unsere Mitmenschen aus dem Reich der Mitte: Chinesen und Chinesinnen, soweit das Schlitzauge reicht.

Unsere meist deutschen Mitsegler sprechen auf der Rückfahrt reichlich dem Alkohol zu, denn der ist kostenlos auf dem Schiff also im Preis inbegriffen. Meine bessere Hälfte teilt mir gerade erstaunt mit, dass »der große Dicke« bereits dreizehn Biere vertilgt hat, als ihre Ansage schon überholt ist. Der Kellner reicht ihm gerade sein vierzehntes.

 

Aber alle schaffen es am Ende der Tour lebend wieder vom Boot in die bereitstehenden Kleinbusse zu krabbeln.

 

Nun liegen noch drei Tage Faulenzen vor uns, denn unser Flieger geht erst Dienstag am späten Abend. Wir können den Tag noch voll genießen. Da wird sicher nichts Aufregendes mehr passieren, außer vielleicht, dass die Temperaturen demnächst auf unter dreißig Grad sinken, denn der Südwinter steht vor Hüttentür.

 

Nix mit Winter! Der mauritianische Wettergott bringt in Erinnerung, dass noch Regenzeit ist, von der wir bisher noch nichts gemerkt haben. Die Gegend um Flic en Flac gilt als die sonnenreichste der gesamten Insel. Wir hocken unter unserem Zuckerrohrblätterdach und spielen klebrige Karten. Es ist schwülwarm und extrem feucht.

 

Um Punkt 16 Uhr ist die Regenzeit zu ende und es wird geheiratet, dass die Schwarte knackt. In den Hotels sind am Strand jeweils Pavillons aufgebaut mit Blumengirlanden und Gestecken verziert. Überall stehen festlich gekleidete Menschen herum und die Bräute, alle selbstverständlich in weiß, strahlen um die Wette. Es ist offenbar absolut »in«, auf Mauritius zu heiraten.

Wir, die wir immer noch fröhlich im sündigen »Konkubinat« leben, machen uns schleunigst vom Acker.


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